14.10.2016
Die Rheinpfalz

Im Bayerischen Wald fahren Urlauber auf das „Guti“ ab

Kostenloser Nahverkehr mit Gästekarte ist ein Renner – Immer mehr Gemeinden beteiligen sich an erfolgreichem System
Von Eckhard Buddruss

Ludwigshafen/Viechtach. Während in der Pfalz bei den Bemühungen, Übernachtungsgästen die kostenlose Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs zu ermöglichen, ein Durchbruch weiter auf sich warten lässt, geht es anderswo voran. Große Fortschritte gibt es in letzter Zeit vor allem im Bayerischen Wald.

2010 wurde im Bayerischen Wald das „Gästeservice Umwelt-Ticket“, abgekürzt „Guti“, eingeführt. Der Name, der im Bayerischen auch für Bonbon steht, war regionstypisch und originell, das System allerdings eine fast exakte Kopie von „Konus“ im Schwarzwald. „Konus“ steht für „Kostenlose Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs für Schwarzwald-Urlauber“. Das Projekt startete 2005 in 66 Orten mit rund 4000 Beherbergungsbetrieben. Anzahl der Orte, Betriebe und Übernachtungen sind seitdem erheblich gestiegen.Im Bayerischen Wald hat man nicht versucht, das Rad neu zu erfinden, sondern das Konus-System weitgehend unverändert übernommen. 2010 wurde das Guti in zunächst acht Gemeinden eingeführt. Pro Übernachtung wird über den Kurbeitrag eine Summe von 33 Cent erhoben. 32 Cent fließen an die Tarifgemeinschaft der öffentlichen Verkehrsmittel im Bayerischen Wald, 1 Cent dient zur Deckung der Verwaltungskosten.

Die Möglichkeit, Züge und Busse im Bayerischen Wald kostenlos zu nutzen, kam bei den Urlaubern so gut an, dass sich nach und nach immer mehr Gemeinden dem System angeschlossen haben. Laut Katharina Frieg von der Guti-Koordinierungsstelle im Landratsamt Freyung-Grafenau ergaben sich im vergangenen Jahr aus rund 1,728 Millionen Übernachtungen in den Guti-Gemeinden Einnahmen für das Guti-System von gut 570.000 Euro. Im laufenden Jahr wurden bis Ende August bereits mehr als 1,672 Millionen Übernachtungen in den Guti-Gemeinden registriert. Dass in diesem Jahr höchstwahrscheinlich erstmals die Zwei-Millionen-Marke bei den Übernachtungen überschritten wird, liegt vor allem daran, dass Bodenmais zum ersten Mal ein ganzes Jahr dabei ist. Die Gemeinde mit dem höchsten Gästeaufkommen im Bayerischen Wald hatte jahrelang gezögert und versucht, Sonderkonditionen auszuhandeln, sich dann im vergangenen Jahr aber doch zum Beitritt gemäß der üblichen Regeln entschlossen. Der Beitritt von Bodenmais wurde Anfang Dezember 2015 wirksam.

Derzeit gibt es das Guti in 22 Gemeinden; als 23. ist in der vergangenen Woche die Gemeinde Viechtach mit jährlich mehr als 200.000 Übernachtungen beigetreten. Sie hat dafür einen besonderen Anlass. Seit September ist probeweise für zwei Jahre die vorher nur im Ausflugsverkehr mit historischen Fahrzeugen befahrene Bahnstrecke von Gotteszell nach Viechtach in den Bayern-Takt integriert. Damit gibt es hier nun einen durchgehenden Stundentakt mit nur einzelnen Lücken am Sonntagvormittag. Die Strecke, die abschnittsweise durch das wildromantische Tal des Schwarzen Regens führt, ist landschaftlich sehr reizvoll und bietet ein hohes touristisches Potenzial.

Besonders engagiert hat sich für den Taktverkehr auf der Strecke nach Viechtach Heinrich Schmidt, der Chef des Naturparks Bayerischer Wald. Schmidt, der auch im Kreistag sitzt und politisch mit allen Wassern gewaschen ist, hält es für ein sehr günstiges Timing, dass der zweijährige Probebetrieb 2016 begonnen hat und die Entscheidung über den Weiterbetrieb deshalb 2018 fällt. Dann sind in Bayern Landtagswahlen und der politische Kontext wäre nicht gerade optimal dafür, ein Projekt sterben zu lassen, für das sich in diesem Jahr bei einem kreisweiten Bürgerentscheid eine Mehrheit von 63,94 Prozent ausgesprochen hat.

Sowohl der Naturpark Bayerischer Wald als auch der Nationalpark Bayerischer Wald gehören wie das Biosphärenreservat Pfälzerwald zu den „Fahrtziel Natur“-Gebieten. Bei „Fahrtziel Natur“ kooperieren die Umweltverbände Naturschutzbund (Nabu), Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und Verkehrsclub Deutschland (VCD) mit der Deutschen Bahn zur Förderung des umweltschonenden Tourismus in sensiblen Schutzgebieten. In diesem Jahr ist der Bayerische Wald für das Guti mit dem Fahrtziel-Natur-Award ausgezeichnet worden, der für besonders vorbildliche Maßnahmen zur Förderung der umweltschonenden Mobilität verliehen wird.

Der Bayerische Wald hatte diese Auszeichnung 2009 schon einmal für sein System der Igelbusse bekommen, die Mobilität im Nationalpark auch in für den Autoverkehr gesperrten Bereichen ermöglichen. Gut verknüpft sind die Igelbusse mit den Waldbahn-Zügen. Ein Manko ist allerdings, dass die Bahnlinie von Zwiesel nach Grafenau nur im Zwei-Stunden-Takt befahren wird. Der Guti-Erfolg könnte aber dafür sorgen, dass sich das bald ändert.

Zwiesel ist ansonsten ein perfekter Taktknoten, in dem sich jeweils zur vollen Stunde Züge aus vier Richtungen treffen. Derzeit fehlt allerdings noch alle zwei Stunden der Zug von und nach Grafenau. Ein durchgehender Stundentakt würde nicht zuletzt auch die Anbindung an den ICE-Bahnhof Plattling verbessern, von dem aus stündlich ein schneller Regional-Express nach München fährt. Das bayerische Wirtschaftsministerium hatte bereits 2010 angekündigt, dass nicht zuletzt wegen der dank Guti deutlich gestiegenen Fahrgastzahlen die Züge ab Ende 2013 auch nach Grafenau im Stundentakt fahren sollen, wenn es die Streckeninfrastruktur erlaubt.

Nötig hierfür sind der Wiederaufbau eines Kreuzungsbahnhofs in Spiegelau und eine Verkürzung der Fahrzeit auf dem Abschnitt Zwiesel–Spiegelau, wo bisher Geschwindigkeitseinbrüche wegen schwieriger Bahnübergänge den Betrieb behindern. Verzögerungen haben sich hier unter anderem durch das Verhalten des Zwieseler Bürgermeisters ergeben, der nicht gerade als ein Musterbeispiel von regionalem Kooperationswillen gilt und an den Bahnübergängen auf Zwieseler Gebiet nichts machen will. An anderen Stellen wurde dagegen schon investiert oder es zeichnen sich jedenfalls Lösungen ab. Karlheinz Roth, der Bürgermeister der Gemeinde Spiegelau, äußerte sich gegenüber der RHEINPFALZ vorsichtig optimistisch, dass beim Thema Stundentakt ein Durchbruch nicht mehr weit sei.

Kommentar: Die Pfalz gerät ins Hintertreffen

Von Eckhard Buddruss

Kostenloser Nahverkehr mit einer Gästekarte findet immer mehr Anklang. Die Pfalz sollte diesen wichtigen Trend nicht verpassen.

Der Schwarzwald hat mit seinem Konus-System vorbildliche Pionierarbeit bei der Gratis-Mobilität für Urlauber mit Gästekarte geleistet. Der Bayerische Wald hat sich mittlerweile sozusagen als der „Fastest Follower“ etabliert. Dabei hat sich in beiden Fällen gezeigt: Sobald das System erst einmal läuft, gibt es schnell den Effekt, dass es nicht mehr wegzudenken ist. Der Fall Bodenmais verdeutlicht, dass nach einigen Jahren auch der zuerst skeptische regionale Marktführer zur Erkenntnis kommt, dass er gut daran tut, mitzumachen statt in die Rolle desjenigen zu geraten, der seinen Gästen etwas vorenthält.

Eine solche unvorteilhafte Rolle droht mittelfristig der Pfalz. Weil hier einzelne Betriebe überzeugt werden müssen mitzumachen, ist es deutlich schwieriger, ein solches System zu etablieren als dort, wo ein Kurbeitrag oder Ähnliches weit verbreitet ist. Den Kunden werden solche Gründe aber ziemlich egal sein. Ihnen dürfte vor allem auffallen, dass hier etwas fehlt, was anderswo Standard ist. Dabei bietet gerade die Pfalz mit einem im überregionalen Vergleich sehr attraktiven Taktverkehr auf ungewöhnlich vielen Bahnlinien ideale Voraussetzungen dafür, mit einer Gästekarte hohen Nutzwert zu bieten. Die Reaktivierung touristisch interessanter Bahnstrecken etwa nach Bad Bergzabern und durchs Eistal zum Eiswoog ist in der Pfalz schon vor einiger Zeit erfolgt, und der Stundentakt oder sogar Halbstundentakt beispielsweise nach Deidesheim, Bad Dürkheim und Freinsheim auch am Wochenende ist hier längst etabliert. Die pfalztypische Kombination von Wein und Wandern ist ein besonders guter Grund, lieber Bus und Bahn statt das eigene Auto zu nutzen.