30.08.2016
Die Rheinpfalz

Nachfolger für Dieselzüge in der Pfalz gesucht

Zuständiger Zweckverband in Kaiserslautern sieht Chancen für Fahrzeuge mit Batterien oder Brennstoffzellen
Von Sebastian Böckmann

Kaiserslautern/Landau. Regionalzüge im Süden von Rheinland-Pfalz könnten in Zukunft mit Wasserstoff betrieben werden. Das hat der Zweckverband Schienenpersonennahverkehr (ZSPNV) Rheinland-Pfalz Süd in Kaiserslautern den CDU-Abgeordneten Thomas Gebhart, Christine Schneider und Martin Brandl bestätigt.

Die Bundes- und Landtagsabgeordneten hatten vom ZSPNV wissen wollen, ob diese emissionsfreie Antriebsart anstelle der derzeit genutzten Dieseltriebwerke infrage komme. Als Vorteil der Technik, die sich bereits in der Bus- und Automobilindustrie bewährt habe, sehen die CDU-Politiker, dass diese Antriebsart im Vergleich zu konventionellen Dieseltriebwagen deutlich energieeffizienter, kostengünstiger und drastisch leiser sei. Davon könnten sowohl die Betreiber, als auch die Anwohner und Fahrgäste profitieren. Außerdem würde man in eine umweltschonende und damit zukunftsweisende Technik investieren. Nach ihren Angaben werden die emissionsfreien Züge bereits ab 2018 in Niedersachsen im Regionalverkehr eingesetzt. Die Bundesländer Hessen, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg wollten ab 2021 folgen.ZSPNV-Direktor Michael Heilmann bestätigt auf Anfrage, dass der Verband eine Nachfolgetechnik für den Dieselantrieb sucht. „Damit befassen wir uns intensiv“, so Heilmann, „wir sind mit mehreren Herstellern im Gespräch.“ Anlass ist, dass das sogenannte West- und Südpfalznetz in absehbarer Zeit neu vergeben wird. Betriebsstart ist im Dezember 2023. Daher müsse sich der Verband bis 2018/19 über die Ausschreibung des Streckennetzes klar werden. Die lange Vorlaufzeit sei nötig, weil Züge erst nach Bestellung gebaut würden. Weil Schienenfahrzeuge in der Regel eine Lebensdauer von 30 Jahren hätten, müsse man sich rechtzeitig um neue Techniken kümmern.

Nach Heilmanns Angaben sind neben der Brennstoffzelle, bei der Wasserstoff in elektrische Energie umgewandelt wird, auch batteriebetriebene Fahrzeuge denkbar. Solche Züge könnten überall dort, wo es Oberleitungen gebe, mit Stromabnehmer fahren und die nicht elektrifizierten Streckenabschnitte mit Akkus überwinden. Dies gelte beispielsweise für die nicht elektrifizierte Strecke Neustadt–Karlsruhe, wo erst ab Wörth wieder Oberleitungen vorhanden sind.

Den ersten Zug mit Brennstoffzellenantrieb wird Alstom auf der Inno Trans, einer Fachmesse der Bahnindustrie, vom 20. bis zum 23. September in Berlin vorstellen. Das Unternehmen hatte erst 2014 auf derselben Messe Absichtserklärungen mit den Ländern Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Hessen und Baden-Württemberg über den Einsatz von Neufahrzeugen mit Brennstoffzellenantrieb unterschrieben. Das Bundesverkehrsministerium hatte bei dieser Gelegenheit seine Absicht bekräftigt, die Entwicklung dieser Antriebstechnik zu unterstützen.

Heilmann hält aber auch die Batterietechnik für interessant: Immerhin seien die ersten Züge mit dieser Technik schon zu Anfang des 20. Jahrhunderts unterwegs gewesen. Mehr noch: Die Bundesbahn habe die letzten Triebwagen mit Stromspeicher bis Ende der 1980er Jahre in der Nordpfalz im Einsatz gehabt. Das habe funktioniert – trotz der noch nicht ausgereiften Speichertechnik und der tonnenschweren Bleibatterien. „Da wird sich noch viel tun. Die Technik wurde nur aufgegeben, weil das Öl so billig war und Umweltfragen noch keine so große Rolle spielten“, sagt Heilmann.

Ebenfalls auf der Inno Trans, aber schon 2012, hatten das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und die Deutsche Bahn zusammen mit weiteren Partnern wie dem Zugbauer Bombardier angekündigt, einen elektrischen Tender zu entwickeln – einen Batteriewagen, der an eine E-Lok angekoppelt werden kann, so wie früher der Kohletender den Brennstoff für die Dampflok transportierte. Diskutiert wird der Einsatz eines solchen Tenders an der oberbayerischen Bahnstrecke Schliersee–Bayrischzell, bei der eine Neuvergabe des Betriebs für Ende 2024 ansteht. Zur Neuausschreibung steht der Betrieb ab Ende 2023 auf folgenden nicht elektrifizierten Strecken der West- und Südpfalz an: Von Kaiserslautern nach Bingen, Kusel, Lauterecken und Pirmasens, von Pirmasens nach Saarbrücken und Landau (samt der Zweiglinie nach Bundenthal), von Winden nach Weißenburg und Bad Bergzabern sowie von Wörth nach Lauterburg. Hinzu kommt die auch mit Dieselfahrzeugen befahrene Linie von Neustadt über Landau nach Karlsruhe, die nur im Abschnitt Wörth–Karlsruhe elektrifiziert ist.

Nicht zuletzt in der CDU gab es durchaus Vorbehalte gegen eine Elektrifizierung der Bahnstrecke zwischen Neustadt und Karlsruhe, weil es die Befürchtung gab, dass dann mehr Güterverkehr durch die Südpfalz rollen könnte.

Innovation mit Problemen

Von Eckhard Buddruss

Vieles spricht dafür, langfristig die Dieseltechnik im Bahnverkehr abzulösen. So einfach, wie die Südpfalz-CDU offenbar meint, wird es aber wohl kaum. „Deutlich energieeffizienter, kostengünstiger, leiser“, „bereits in der Bus- und Automobilindustrie bewährte Technik“ – in der Darstellung von Südpfälzer CDU-Politikern, die offenbar zu weiten Teilen wörtlich den Angaben der Herstellerfirma Alstom folgt, scheint nichts einfacher und naheliegender, als den Verkehr auf den Bahnstrecken in der Südpfalz auf Züge mit Brennstoffzellenantrieb umzustellen.

Die Begeisterung der Südpfalz-CDU für eine in der Theorie vielversprechende, in der Praxis bisher allerdings im Bahnbetrieb noch weitgehend unerprobte Technik könnte allerdings über die Sympathie für energieeffiziente Technologien hinaus noch einen speziellen lokalen Grund haben. Kurzfristige Hauptfunktion der CDU-Initiative dürfte sein, das für die Partei unangenehme Thema Elektrifizierung vom Hals zu bekommen. Der frühere Landtagsabgeordnete Thomas Gebhart hatte sich bei seiner ersten Kandidatur für den Bundestag 2009 mit Nachdruck für die Elektrifizierung der Strecke Neustadt–Wörth eingesetzt, was nicht zuletzt wegen seines Engagements für die Integration der Strecke Wörth–Germersheim ins Karlsruher Stadtbahnnetz auch besonders glaubwürdig war. Bald danach änderte sich allerdings Gebharts Position, weil in der Südpfälzer CDU zunehmend die Befürchtung in den Vordergrund trat, dass eine Elektrifizierung zu mehr Güterverkehr führen würde. Nachdem Gebhart zeitweise versuchte, den etwas irrealen Gedanken einer Elektrifizierung mit Güterzugverbot zu propagieren, ist es um das Thema nun still geworden.

Da in der Tat derzeit keine realistische Perspektive für eine eigentlich weiterhin sinnvolle Elektrifizierung der Strecke Neustadt–Wörth erkennbar ist, wird das Thema alternative Antriebstechnik nun tatsächlich aktuell. Sehr viel wahrscheinlicher als eine neue Technik, die in jeder Hinsicht besser und auch kostengünstiger ist, ist leider ein anderes Szenario, nämlich die Frage: Wer geht ins Risiko für eine Technik, deren Bewährung in der Praxis noch aussteht? Wahrscheinlich wird eine neue Technologie aufgrund von Kostennachteilen nur Chancen haben, wenn sie bei der Ausschreibung vorgeschrieben wird. Da das Budget der Nahverkehrsaufgabenträger aufgrund einer unzureichenden Erhöhung der Regionalisierungsmittel knapp ist, könnte das bedeuten, dass man sich zwischen neuer Technik und einem verbesserten Zugangebot entscheiden muss oder im Extremfall die neue Fahrzeugtechnik sogar nur mit einem verschlechterten Zugangebot bekommt. Im Interesse der Umwelt wäre vor allem letzteres sicher nicht.

Diese Probleme sprechen nicht grundsätzlich gegen einen Umstieg auf eine innovative Technik. Wenn man sich aber keine Illusion über die damit verbundenen Kosten und Risiken macht, ist die Gefahr geringer, dass auf die Euphorie schmerzliche Enttäuschungen folgen.

Leserbriefe vom 03.09.2016

„Brennstoffzellen für Bahn ein Unsinn“

Der Kommentar fiel für meinen Geschmack zu unkritisch aus. Es ist ein grandioser Unsinn, bei Bahnen auf Energiespeichersysteme wie Batterien oder Wasserstoff-Brennzellen zu setzen. Diese Techniken verschwenden prinzipbedingt viel Energie, da der Wirkungsgrad des Lade- und Entladevorgangs vergleichsweise schlecht ist, zudem werden schwere Batterien oder Tanks und Brennstoffzellen durch die Gegend gekarrt. Ihr Einsatz ist nur vertretbar, wo Elektrizität nahezu kostenfrei (ökonomisch und ökologisch) gewonnen wird oder leitungsgebundene Versorgung nicht oder nur mit nicht vertretbarem Aufwand möglich ist – das gilt meiner Meinung nach auch für den Dieselantrieb. Viel besser dagegen ist der Wirkungsgrad der Energieversorgung per Oberleitung, und bei keinem anderen Verkehrsmittel als schienengebundenen Bahnen ist sie so einfach zu realisieren und so bewährt. Vor diesem Hintergrund ist die vermeintlich „innovative Technik“ nur eine Verhinderungsstrategie. Da will jemand Zugverkehr verhindern, das Florianiprinzip lässt grüßen.Dabei wäre es wünschenswert, mehr Güterverkehr auf die Bahn zu verlagern, auch in der Südpfalz, oder soll der sich weiter über die nicht ausgebaute B 10 schleppen? Den Zugherstellern darf man zudem getrost unterstellen, dass es bei ihrer Begeisterung für Speichertechniken vor allem ums Abgreifen von Fördermitteln geht. Christian Blum, Zweibrücken

„Elektro gegenüber Diesel im Vorteil“

Sehr schön wird dargestellt, wie neue technische Möglichkeiten und politische Hintergedanken interagieren. Da die Kenntnisse in Schienenverkehrsfragen bei Politikern oft nicht sehr ausgeprägt sind, wird Innovation oft einfach nur verstanden als „irgendetwas mit Elektro“. Neue Techniken müssen irgendwann auch in die Praxis mit dem Risiko von Kinderkrankheiten, aber ein Flickenteppich von Teststrecken unterschiedlicher Systeme ist nicht gut. Schienenverkehr, insbesondere Güterverkehr, wird oft pauschal mit Lärm gleichgesetzt. Im Vergleich mit einer Lastwagenkolonne dürfte ein elektrisch angetriebener Güterzug mit „Flüsterbremsen“, gewissermaßen ein Gigaliner auf Schienen, ganz gut abschneiden.Auch bei Personenverkehr ist Elektro gegenüber Diesel im Vorteil bezüglich des Lärms, und zwar sowohl für die Fahrgäste als auch für die Anrainer der Strecke. Für das Dieselnetz im Südwesten erscheint mir der Regiolis gut geeignet zu sein. Dieser Zug, der auch im Elsass eingesetzt wird, kann sich seinen Strom selbst erzeugen, wenn kein Fahrdraht mehr vorhanden ist. Von Vorteil wären diese Fahrzeuge insbesondere an teilweise elektrifizierten Strecken, zum Beispiel der Abschnitt Saarbrücken-Rohrbach (Strecke SB-PS) oder Kaiserslautern-Neustadt (Strecke (KL-KA). Würden weitere Teilstrecken elektrifiziert, könnten diese sofort genutzt werden. Geradezu genial (politisch, nicht technisch) wäre es, wenn man diese Fahrzeuge noch mit deutscher und französischer Sicherheitstechnik ausstatten würde. Dann müssten die Züge aus Straßburg nicht in Saargemünd enden.Gerhard Stengel, St. Ingbert