28.06.2016
Die Rheinpfalz

Schneller über Straßburg nach Paris

Am kommenden Sonntag geht Hochgeschwindigkeitsstrecke im Elsass in Betrieb – Mannheim und vor allem Karlsruhe profitieren
Von Eckhard Buddruss

Ludwigshafen. Am kommenden Sonntag wird der zweite Abschnitt der französischen Ost-Schnellbahn (LGV Est) in Betrieb genommen. Dies führt zu einer Reihe von Veränderungen nicht nur im deutsch-französischen Bahnverkehr, sondern auch auf der Ost-West-Hauptstrecke durch die Pfalz, wo ein Paris-Zugpaar wegfällt. Mannheim bekommt einen Zug pro Tag mehr nach Paris, Karlsruhe sogar drei.

Durch die neue, gut 100 Kilometer lange Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen dem bisherigen Endpunkt bei Baudrecourt in Lothringen und Vendenheim bei Straßburg verkürzt sich die Fahrzeit zwischen Straßburg und Paris um bis zu 30 Minuten. Das Zugangebot zwischen Stuttgart und Paris über Karlsruhe wird von vier auf fünf Zugpaare pro Tag aufgestockt, zwischen Frankfurt und Paris über Mannheim fahren statt bisher fünf künftig sechs Zugpaare.Am meisten profitiert vom erweiterten Angebot Karlsruhe. Statt bisher vier Zügen nach Paris gibt es in Zukunft sieben, weil außer den künftig fünf Zügen aus Stuttgart auch noch zwei Züge von Frankfurt nach Paris über Karlsruhe und Straßburg fahren.

Eines der beiden Zugpaare von Frankfurt über Mannheim und Straßburg nach Paris ist neu, das andere fuhr bisher über Kaiserslautern und Saarbrücken. Kaiserslautern hat damit künftig statt bisher fünf nur noch vier Züge nach Paris. Die französische Staatsbahn SNCF ist an der Führung von Zügen nach Frankfurt über Straßburg statt Saarbrücken auch deswegen interessiert, weil mehr internationale Züge zwischen Paris und Straßburg es ihr erlauben, Züge des französischen Binnenverkehrs einzusparen. Das Zugangebot zwischen Paris und Straßburg wird trotz der kürzeren Fahrzeit nicht aufgestockt.

Die Inbetriebnahme der neuen Strecke, die, wie mehrfach berichtet, wegen der verheerenden Entgleisung eines Versuchszugs im vergangenen November, um drei Monate verschoben werden musste, erfolgt am kommenden Sonntag noch mit einigen Einschränkungen, die für längere Fahrzeiten sorgen. Nur zwei Züge erreichen eine Fahrzeit zwischen Paris und Mannheim von unter drei Stunden und zwar die beiden, die um 7.20 Uhr und 15.20 Uhr in Paris abfahren und Mannheim planmäßig um 10.18 Uhr beziehungsweise 18.18 Uhr erreichen. In der Gegenrichtung dauert die Fahrt unter anderem wegen eines eingleisigen Abschnitts westlich von Straßburg mindestens zehn Minuten länger. Der neue ICE um 7.39 Uhr ab Mannheim erreicht den Pariser Ostbahnhof planmäßig um 10.49 Uhr.

Der TGV am späten Nachmittag ab Mannheim (ab 17.40 oder 17.55 Uhr) erreicht Paris Est sogar erst um 21.32 Uhr und damit deutlich später als bisher bei der Fahrt über Saarbrücken. Weitere Verbesserungen bei den Fahrzeiten sind für den Fahrplanwechsel im Dezember vorgesehen. Bis dahin sollen die Unfallschäden an der neuen Hochgeschwindigkeitsstrecke repariert sein. Anders als bisher werden künftig sowohl auf der Linie Frankfurt–Paris als auch auf der Linie Stuttgart–Paris von der gemeinsamen DB/SNCF-Tochter Alleo TGV und ICE eingesetzt. Der ICE befährt damit erstmals regulär auch die Strecke Straßburg–Paris.

Das Hochgeschwindigkeitszugpaar der Linie Paris–Frankfurt, das künftig statt über Kaiserslautern über Straßburg fährt, wird auf dem Abschnitt Saarbrücken–Mannheim durch einen Intercity von und nach Stuttgart ersetzt. Für die Pfalz hat dies den Vorteil, dass in den Bahnhöfen Neustadt und Homburg, die im vergangenen Dezember die meisten ihrer Fernzughalte verloren hatten, nun wieder ein drittes Fernzugpaar hält.

Änderungen gibt es auf der Strecke Mannheim–Saarbrücken auch bei den Regional-Express-Zügen. Samstags und sonntags fährt der Regional-Express (RE) um 11.39 Uhr ab Ludwigshafen Mitte künftig nicht mehr. Stattdessen fährt samstags und sonntags ein RE um 9.39 Uhr ab Ludwigshafen Mitte.

Kommentar: Getrübte Freude am Jahrhundertereignis

Von Eckhard Buddruss

Das Elsass hat jahrzehntelang für den Bau der TGV-Strecke bis nach Straßburg gekämpft. Nun ist wohl aber niemand so recht in Feierlaune.

Die komplette Inbetriebnahme der LGV Est ist ein Jahrhundertereignis vor allem für Straßburg. Die elsässische Metropole gehört nun zum exklusiven Kreis der Städte, die eine durchgehende Hochgeschwindigkeitsstrecke nach Paris haben. Dazu gehören ansonsten nur Marseille, Lyon, Lille und bald auch Bordeaux.

Die Feierstimmung im Elsass ist aber getrübt – vor allem durch den verheerenden Unfall eines Versuchszuges am 14. November, der die Inbetriebnahme der Strecke überschattet. Hinzu kommt, dass die französische Staatsbahn SNCF an neuen Hochgeschwindigkeitsstrecken nur noch begrenzte Freude hat. Die Trassengebühren für das Befahren der Strecken sind inzwischen dermaßen hoch, dass die SNCF bemüht ist, nicht allzu viele Züge über die neuen Strecken fahren zu lassen.

Die Pfalz profitiert aber alles in allem von der neuen Hochgeschwindigkeitsstrecke. Zwar verlieren Kaiserslautern und Saarbrücken ein Paris-Zugpaar, aber die beiden anderen für die Pfalz wichtigen Bahnhöfe Mannheim und Karlsruhe gewinnen eines beziehungsweise sogar drei Zugpaare hinzu. Die SNCF könnte daran interessiert sein, nach 2020 mindestens ein weiteres Zugpaar das heute über Kaiserslautern fährt, über Straßburg zu führen. Ob das tatsächlich geschieht, wird nicht zuletzt davon abhängen, wie groß der Fahrzeitunterschied zwischen den beiden Routen dann sein wird. Jede Minute Fahrzeit, die durch die aktuell die Bahnfahrgäste nervenden Ausbauarbeiten zwischen Mannheim und Saarbrücken gewonnen wird, erhöht die Chancen, dass die Strecke durch die Pfalz nicht ins Hintertreffen gerät.

Nils fragt: Was ist denn eine LGV?

Vielleicht habt ihr schon mal die Abkürzung TGV gelesen oder gehört. Sie ist inzwischen bei uns so bekannt, dass sie auch von Deutschen meist französisch ausgesprochen wird. Sie steht für Train à grande vitesse, das bedeutet Hochgeschwindigkeitszug.

Früher war es in Frankreich üblich, dass die Abkürzung sowohl für den schnellen Zug verwendet wurde, als auch für die Strecke, die für ihn gebaut wurde. Auf der 2007 eröffneten Ost-Schnellbahn fährt aber nicht nur der französische TGV, sondern auch der deutsche ICE. Wohl auch deshalb wird in Frankreich nun eher zwischen dem Zug und der Strecke unterschieden. Für die Strecke verwendet man nun meistens die Abkürzung LGV. Sie steht für Ligne à grande vitesse, das bedeutet Hochgeschwindigkeitsstrecke. Der ICE fährt übrigens nirgendwo in Deutschland so schnell wie auf der französischen Ost-Schnellbahn, nämlich mit Tempo 320. ebu