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04.12.2015
Die Rheinpfalz

Baustellen werden Pfälzer Bahnfahrer noch lange nerven

Eingleisige Abschnitte führen oft zu Verspätungen – Ab 13. Dezember wird die Ost-West-Hauptstrecke nachts sogar komplett gesperrt
Von Eckhard Buddruss

Ludwigshafen. Im Pfälzer Bahnverkehr kommt es derzeit häufig zu Verspätungen auch bei der früher meist pünktlichen S-Bahn. Hauptgrund dafür sind umfangreiche Bauarbeiten auf der Ost-West-Hauptstrecke, die sich noch bis 2019 hinziehen werden. Ab dem Fahrplanwechsel am 13. Dezember wird die Strecke sogar zwei Jahre lang nachts zwischen 0 Uhr und 4 Uhr komplett gesperrt.

„Der vor uns liegende Streckenabschnitt ist noch durch einen anderen Zug belegt. Wir setzen unsere Fahrt in Kürze fort.“ Diese automatisierte Durchsage hören Fahrgäste in Pfälzer S-Bahn-Zügen seit einiger Zeit deutlich häufiger als früher gewohnt. Zu den wichtigsten Gründen dafür gehören die Bauarbeiten auf der Ost-West-Hauptstrecke durch die Pfalz, die im Zusammenhang mit dem Projekt POS stehen (siehe Wirtschaftswissen). Häufig Probleme bereitet insbesondere der gegenwärtig nur eingleisig befahrbare Abschnitt zwischen Neustadt-Böbig und Haßloch.Über das derzeit einzige Gleis zwischen Neustadt-Böbig und der Überleitstelle Hinkelpfad, die eingerichtet wurde, um den eingleisigen Abschnitt möglichst kurz zu halten, fahren pro Stunde mindestens vier S-Bahn-Züge und zwei bis vier Fern- oder Regional-Express-Züge, hinzu kommen diverse Güterzüge. Um die Züge durch den Engpass zu schleusen, wurden in vielen Fällen Fahrzeiten geändert, was zu – aus Fahrgastsicht – teilweise ärgerlichen Effekten führt. Manche S-Bahnen fahren in Neustadt ein oder zwei Minuten früher ab als gewohnt, bei manchen Zügen fallen – auch in Bahnhöfen, in denen aktuell nicht gebaut wird – Halte aus. Manche Züge wurden sogar ganz gestrichen, bei anderen ergeben sich lange Aufenthaltszeiten. Theoretisch lassen sich die modifizierten Fahrpläne pünktlich einhalten, manchmal klappt das auch. In der Praxis gibt es aber oft erhebliche Probleme, sobald ein Zug Verspätung hat. Dann kommt es häufig vor, dass die Verspätung eines Zuges zu Verspätungen auch von Zügen in der Gegenrichtung führt. Teilweise stauen sich im Bahnhof Neustadt-Böbig oder bei Haßloch Züge, die auf Einfahrt in den eingleisigen Abschnitt warten. Die lange Jahre meist gute Pünktlichkeit der S-Bahn Rhein-Neckar hat sich nicht zuletzt dadurch massiv verschlechtert.

Dies gilt in verschärfter Form für den Regional-Express von Koblenz über Trier, Saarbrücken und Kaiserslautern nach Mannheim, der schon durch seinen langen Laufweg verspätungsanfällig ist und auf der Strecke Saarbrücken–Mannheim gleich zwei Großbaustellen passieren muss.

Selbst mit einer Umsteigezeit von etwa 15 bis 20 Minuten theoretisch entspannte Anschlüsse an die vier ICE, die in Mannheim jede Stunde nach Berlin, München, Köln und Basel abfahren, sind unter diesen Umständen manchmal gefährdet. Gerade im Fall von Verspätungen könnten sich die Probleme beim Umsteigen in Mannheim künftig wegen einer organisatorischen Änderung der Deutschen Bahn (DB) weiter verschärfen. Mannheim gehörte bisher zu den wenigen Bahnhöfen in Deutschland, bei denen der Abfahrauftrag für die Züge nicht vom Zugchef kommt, sondern von einer „örtlichen Aufsicht“, im Fachjargon oft salopp „Rotkäppchen“ genannt.

Diese örtliche Aufsicht hat in aller Regel einen besseren Überblick über verspätete Zubringerzüge als ein Zugchef und kann im Zweifelsfall dafür sorgen, dass Reisende, die mit einem Zug aus der Pfalz in Mannheim ankommen, ihren Anschluss-ICE noch erreichen. Finanziert wurde dieses Zusatzpersonal bisher vom DB-Fernverkehr. Anders als in Hamburg, Köln und Stuttgart, wo die örtlichen Aufsichten erhalten bleiben, hat sie der DB-Fernverkehr in Mannheim abbestellt.

Wirtschaftswissen: Was ist eigentlich POS?

Die Abkürzung POS steht für das Schnellbahnprojekt Paris–Ostfrankreich–Südwestdeutschland. Herzstück der Projekts ist die neue Hochgeschwindigkeitsstrecke TGV Est in Frankreich, deren erster Abschnitt von Vaires bei Paris bis ins lothringische Baudrecourt im Juni 2007 in Betrieb genommen wurde. Die Inbetriebnahme des zweiten Abschnitts von Baudrecourt bis Vendenheim bei Straßburg war für den kommenden April vorgesehen. Sie wird sich aber voraussichtlich wegen der verheerenden Entgleisung eines TGV-Versuchszugs am 14. November in der Nähe von Straßburg um mehrere Monate verzögern.

Auf deutscher Seite sieht das Projekt POS auf dem Südast den Ausbau der Strecke zwischen Straßburg und Appenweier an der Strecke Offenburg–Karlsruhe vor. Wichtigste Baumaßnahme auf diesem Abschnitt war der Bau einer neuen zweigleisigen Rheinbrücke bei Kehl. Auf dem POS-Nordast wird die Strecke von Saarbrücken nach Ludwigshafen abschnittsweise für Tempo 200 ausgebaut. Aufwendigste Maßnahme war der Bau der Schifferstadter Umgehungsbahn, die 2003 in Betrieb ging. Die bereits seit 1998 laufenden Bauarbeiten werden sich voraussichtlich noch bis 2019 hinziehen, obwohl ein Teil der Baumaßnahmen wie beispielsweise eine früher einmal geplante Linienverbesserung bei Bruchmühlbach-Miesau nicht weiterverfolgt wird.

Die im deutsch-französischen Vertrag von La Rochelle 1992 vereinbarte Fahrzeit für die Strecke Paris–Mannheim von zwei Stunden und 52 Minuten auf dem Nordast und zwei Stunden und 48 Minuten auf dem Südast wird in beiden Fällen nicht ganz erreicht werden. Hauptfunktion der Bauarbeiten auf dem Nordast ist inzwischen wohl, die Strecke durch die Pfalz und das Saarland nicht zu sehr gegenüber dem künftig schnelleren Südast über Straßburg ins Hintertreffen geraten zu lassen. Mit der Inbetriebnahme des zweiten TGV-Est-Abschnitts wandert bereits eines der heutigen fünf Zugpaare von Frankfurt über Kaiserslautern und Saarbrücken nach Paris auf die Strecke über Straßburg ab. Für die künftige Verteilung der Züge von Frankfurt nach Paris kann es durchaus relevant sein, ob der Fahrzeitunterschied zwischen den beiden Ästen zehn Minuten oder weniger als fünf Minuten beträgt. (ebu)

Lieber eingleisig fahren als sperren

Von Eckhard Buddruss
Jahrelange Bauarbeiten mit eingleisigen Abschnitten sind ein Ärgernis. Aber eine monatelange Streckensperrung wäre noch viel schlimmer.

Die jahrelangen Bauarbeiten auf der Ost-West-Hauptstrecke durch die Pfalz entwickeln sich immer mehr zu einem Dauerärgernis. Allerdings muss man anerkennen: Noch schlimmer als die Serie von Abschnitten mit eingleisigem Betrieb wäre eine monatelange komplette Sperrung der Strecke, wie es sie auf anderen Hauptlinien etwa zwischen Bamberg und Lichtenfels auf der ICE-Strecke von München nach Berlin gibt. Das immerhin soll den Bahnfahrern in der Pfalz erspart bleiben. Es ist auch richtig, dass versucht wird, möglichst wenig Züge ausfallen zu lassen, obwohl das einen pünktlichen Betrieb schwieriger macht.

Ein vermeidbares Ärgernis ist dagegen, dass die Deutsche Bahn (DB) nun ausgerechnet in einer Phase mit häufigen Verspätungen die örtliche Aufsicht im Mannheimer Hauptbahnhof einspart. Zwar konnten die im Eisenbahnerjargon „Rotkäppchen“ genannten Mitarbeiter bei Verspätungen nicht jeden Anschluss retten, aber in Fällen, bei denen es auf der Kippe stand, ob der Anschluss knapp erreicht oder knapp verpasst wird, haben sie doch oft eine segensreiche Rolle gespielt. Dass sie in anderen Bahnhöfen wie Stuttgart erhalten bleiben, deutet darauf hin, dass der DB Mannheim entweder nicht wichtig genug ist oder die Lage dort als nicht so brisant wie in Stuttgart eingeschätzt wird. Grund für die Sparmaßnahme sind die finanziellen Nöte des DB-Fernverkehrs, für die nicht zuletzt die Bundesregierung verantwortlich ist. Besonders absurd ist, dass der DB-Fernverkehr zum „Dank“ für seine vorbildliche Pionierrolle beim Ökostrom-Einsatz von der Bundesregierung mit Zusatzkosten bei der Ökostromumlage „belohnt“ wurde.