21.01.2014
SR Fernsehen, SaarLorLux Geschichten von nebenan - Zum Film

Abgehängt: Das Saarland verliert immer mehr Bahnverbindungen

Obwohl die Menschen in der Großregion immer mobiler werden, gibt es immer weniger Bahnverbindungen, um in unsere Nachbarregionen zu reisen. Grenzüberschreitende Bahnstrecken wie die zwischen Perl und Thionville sowie zwischen Niedaltdorf und Bouzonville liegen brach. Die Direktverbindungen nach Straßburg, Metz und Saargemünd stehen vor dem gibt einen ausführlichen Überblick darüber, welche „SaarLorLüx“ Aus. Bahnverbindungen gestrichen oder gefährdet sind, warum es soweit gekommen ist und was geschehen muss, um die Situation zu verbessern.

Saarbrücken - Straßburg in 100 Minuten – ohne Umsteigen. Diese Direktverbindung gibt es seit über zehn Jahren. Werktags sechs- und am Wochenende viermal. Aber sie steht auf der Kippe. Denn die Elsässer haben neue Züge bauen lassen. Und die dürfen nicht auf deutschen Gleisen fahren, weil ihnen eine Zugsicherung fehlt. Das Bauteil selbst kostet etwa 20.000 Euro. Aber das Zulassungsverfahren würde sieben Millionen Euro kosten– das ist so teuer wie ein ganzer Zug.

„Das ist eine irre Summe“, bestätigt Thorsten Bischoff, Pressesprecher des saarländischen Verkehrsministeriums. „Die liegt aber darin begründet, dass die entsprechenden Sicherheitsverfahren notwendig sind, die Prüfverfahren notwendig sind, um solche Bauteile zuzulassen. Und daran können wir als Land leider auch nichts ändern.“

Direktverbindung nach Metz vor dem Aus

Nach Metz bestehen kaum noch Direktverbindungen. Nur bei drei von vierzehn Zügen geht es ohne Umsteigen in Forbach. Ab 2016 soll auch damit Schluss sein. Aus technischen Gründen. Denn die französischen Züge, die eingesetzt werden sollen, funktionieren nicht mit der Elektrik auf den deutschen Gleisen. Außerdem sind die Bahnsteige unterschiedlich hoch.

„Die Firma Alstom könnte den neuen ‚Régiolis’ so bauen, dass er auch im Saarland fahren dürfte“, erklärt Bernard Hoellinger, Sachverständiger von der Agglomération de Forbach. „Das gilt hier genauso wie für die Verbindung nach Straßburg. Aber das Problem ist, dass der erste, der Züge diese Typs bestellt – und wir brauchen sieben davon - auch die gesamten Entwicklungskosten für die Zugserie bezahlen müsste, egal wie viele er kauft. Da will natürlich niemand der erste sein. Jeder wartet auf den anderen. Das ist ein Teufelskreis, aus dem wir nicht herauskommen.“

Nach Luxemburg ist der Bus schneller und günstiger

Zwischen Saarbrücken und Luxemburg gab es noch nie eine direkte Bahnverbindung. Stattdessen verkehrt seit zehn Jahren ein Bus zwischen den beiden Hauptbahnhöfen. Der Schnellbus braucht eine Stunde und zwanzig Minuten und fährt bis zu 13 Mal täglich.

Die Tageskarte kostet 16, die Monatskarte 135 Euro. Der Bus wird immer häufiger genutzt: Rund 120.000 Reisende waren es letztes Jahr. Trotz – oder gerade wegen – der intensiven Nutzung: Untersuchungen haben ergeben, dass eine Bahnstrecke zwischen Saarbrücken und Luxemburg sich nicht lohnt. Der Bau würde Millionen kosten. Und die Reise mit dem Bus wäre trotzdem kürzer – und billiger. Für Luxemburgs neuen Verkehrsminister, François Bausch, ist der Bus deshalb mehr als eine Notlösung: „Wir sind sehr zufrieden mit der Bus-Lösung, wie sie heute existiert, weil die Nutzung sehr stark angestiegen ist. Und wir wollen schauen, ob es nicht sinnvoll wäre, von dem Stundentakt auf den Halbstundentakt zumindest in den Spitzenstunden raufzugehen, damit sie noch besser genutzt wird.“

Direktverbindung nach Paris ist gefährdet

Selbst die direkte Hochgeschwindigkeitsverbindung nach Paris, auf die das Saarland so stolz ist, ist in Gefahr. Der Grund: Über die Konkurrenzstrecke via Straßburg wird man in Zukunft schneller von Paris nach Frankfurt gelangen. - Das Problem ist die kurvenreiche Strecke durch die Pfalz, auf denen die Bahn nicht mit Volldampf fahren kann.

Die Deutsche Bahn verspricht immer wieder, die Hochgeschwindigkeitsverbindung über Saarbrücken bleibe erhalten, weil sie intensiv genutzt werde. „Auf keinen Fall wird Saarbrücken abgehängt. Saarbrücken ist heute nicht abgehängt und wird auch in Zukunft nicht abgehängt!“, sagte Rüdiger Grube zum Beispiel am 5. September 2012.

Eine Garantie dafür gibt es allerdings nicht. Deshalb stellen die Worte des Bahn-Chefs die Saarbrücker Oberbürgermeisterin, Charlotte Britz, auch nicht ganz zufrieden: „Ich würde mir wünschen, dass wir hier auch eine schriftliche Erklärung von Herrn Grube erhalten. Das ist kein Misstrauen, aber man ist natürlich schon im Verwaltungsleben immer beruhigter, wenn man dann auch ein Schreiben auf dem Tisch liegen hat: Die Bahnverbindung steht, sie ist nicht in Gefahr. Denn sie ist ganz, ganz wichtig, denke ich, für die Großregion.“

Schienennetz liegt teilweise brachv

Europa wächst zusammen, aber unsere Großregion tut das verkehrstechnisch nicht. Im Gegenteil: Es gibt weniger grenzüberschreitende Bahnverbindungen denn je. Es ist paradox: Die Großregion hat eines der dichtesten Schienennetze der Welt, aber es wird nicht genutzt. Und so bleibt den meisten Pendlern, wenn sie über die Grenze fahren wollen, nur das Auto

. Bei den Bahnstrecken zwischen den Grenzorten Perl und Apach an der Mosel sowie zwischen Niedaltdorf und Bouzonville ist an der Grenze tatsächlich Schluss.

Odyssee von Perl nach Metz

Schon seit Jahren verkehrt wochentags keine Bahn zwischen den Grenzorten Perl und Apach mehr. Wer also von Trier nach Metz reisen will, der muss in Perl aussteigen. Und weil es vom Bahnhof keinen Bus über die Grenze gibt, ein Taxi rufen - oder eben zu Fuß bis Apach laufen.

Aber seit dem 15. Dezember hilft selbst das nichts mehr, denn von Apach aus fährt kein Zug mehr Richtung Metz. Für die 20 Kilometer bis Thionville muss man den Bus nehmen – wenn er mal fährt. Erst dort kann man bis Metz wieder auf die Bahn umsteigen.

Den kleinen Grenzverkehr der Bahn zum Erliegen gebracht haben die Region Lothringen und die französische Bahn. Der Grund: die Verbindung sei nicht wirtschaftlich. Eine absolut falsche Entscheidung, meint der Leiter der Arbeitsgruppe „Verkehr“ des Wirtschafts- und Sozialausschusses der Großregion: „Die Verbindung ist im Moment nicht wirtschaftlich, weil sie auch nicht sehr attraktiv ausgestaltet ist. Wenn man das verbessert, wenn man eine durchgehende Verbindung von Trier über Thionville nach Metz anbietet, dann werden auch genug Fahrgäste kommen, dann wird es Berufspendler geben, dann wird es Touristen geben, und dann werden auch genügend Menschen diese Verbindung annehmen.“

Ein Zug pro Jahr zwischen Niedaltdorf und Bouzonville

Zwischen Niedaltdorf und Bouzonville gibt es bereits seit Ende des Zweiten Weltkriegs keinen Grenzverkehr mehr. Der Zug aus Dillingen stoppt vor der Grenze. Nur einmal im Jahr darf er auf französisches Territorium, zum Karfreitagsmarkt.

O-Ton Matthias Schwalbach: „Das ist nicht nachvollziehbar. Die Infrastruktur ist vorhanden, die Fahrzeuge sind vorhanden, das Personal ist vorhanden, und die Wirtschaftlichkeit ist aus unserer Sicht auch gegeben. Hier sollte man wieder einen regelmäßigen Verkehr aufnehmen.“

Die Nachbargemeinden wollen für die Wiederbelebung der Strecke kämpfen Damit auch die Ampel in Richtung Grenze endlich mal auf grün schaltet.

Saarbahn-Verbindung nach Saargemünd vorerst gerettet

Bei der Saarbahn dagegen ist es gelungen, die grenzüberschreitende Bahnverbindung nach Saargemünd zu retten.

Seit über 15 Jahren fährt die Saarbahn über die Grenze bis Saargemünd. Es ist die älteste grenzüberschreitende Nahverkehrslösung in ganz Europa. Zum 31. Januar drohte die Einstellung der Verbindung. Denn die französische Bahn forderte, dass die Saarbahn GmbH für die 800 Meter auf französischem Gebiet statt bisher 42.000 künftig 232.000 Euro zahlen sollte. Was den Saargemünder Bürgermeister, Céleste Lett, in Rage brachte: „Wir Franzosen profitieren doch davon, dass die Saarbahn bis zu uns fährt. Vor allem weil sie fast die gesamten Kosten trägt. Wir stellen nur den Bahnsteig und die Anzeigetafeln. Deshalb bin ich empört über diese übertriebene Geldforderung an die Saarbahn.“

Bis Ende 2016 ist zunächst mal eine Lösung gefunden: Die zusätzlichen Kosten werden geteilt zwischen der Saarbahn, der französischen Bahn und dem französischen Staat. Möglich wurde das erst durch eine Intervention von ganz oben: „Sehr unterstützt hat uns auch bei dieser Lösung der Premierminister, der frühere Bürgermeister unserer Partnerstadt Nantes, Jean-Marc Ayrault, der auch jederzeit zum persönlichen Gespräch bereit war, und hier auch den Kompromiss mit uns gefunden hat,“ freut sich Saarbrückens Oberbürgermeisterin, Charlotte Britz.

Druck machen über den Premierminister: Vielleicht könnten so ja auch andere Bahnstrecken wiederbelebt werden…

SR Online