29.12.2012      
Saarbrücker Zeitung   

Wo Loks und Züge das Maß aller Dinge sind
Heimatmuseen im Saarland

Museum im Bahnhof Bexbach widmet sich der regionalen Eisenbahngeschichte
Im Saarland gibt es mehr als 100 Museen, in denen die Besucher den Lebenswegen und den Arbeitswelten der Vorfahren begegnen können. In einer Serie stellen wir Museen vor und suchen Antworten auf die Frage: Wie war das anno dazumal?
Von SZ-Mitarbeiter Dieter Gräbner

Bexbach. Die meisten von uns haben irgendwann in der Schule gelernt, dass am 7. Dezember 1835 zwischen Nürnberg und Fürth die erste deutsche Eisenbahn fuhr. Die Dampflok hieß „Adler“, und der Lokomotivführer war der englische Ingenieur William Wilson. Es war der Aufbruch in ein neues Zeitalter: Mit damals sagenhaften 35 Kilometern pro Stunde dampfte der „Adler“ in neun Minuten die 6,2 Kilometer lange Strecke von Nürnberg nach Fürth. Die Männer trugen Frack, die Frauen weit ausladende Festtagskleider. Die Waggons waren umgebaute Postkutschenwagen.

Dass die erste Bahn fuhr und damit die Geschichte der Eisenbahn in Deutschland begann, ist das Verdienst des bayrischen Königs Ludwig I., einem Mann mit wirtschaftlichem und politischem Weitblick. Er hatte ein Jahr zuvor, am 19. Februar 1834, die Königlich Privilegierte Ludwigs-Eisenbahn-Gesellschaft gegründet. Ebenfalls mit einer „Ludwigsbahn“, der Pfälzischen Ludwigsbahn, wie sie später hieß, begann dann die saarländische Eisenbahngeschichte, wenn auch erst 14 Jahre später. Am 25. August 1849 wurde die Gesamtstrecke der Pfälzischen Ludwigsbahn von Ludwigshafen bis Bexbach mit dem Bahnhof Bexbach als Grenzstation an der damals bayerisch-preußischen Grenze feierlich dem Betrieb übergeben. In der ehemaligen Wartehalle des Bahnhofes Bexbach hängt ein Gemälde an der Wand, auf dem der ehemalige Eisenbahnoberinspektor und offensichtlich künstlerisch begabte Hobbymaler Franz Josef Theisen 1949 darstellte, wie es bei der Eröffnung des Bahnhofes 100 Jahre zuvor zuging. Und hier in der Wartehalle im ältesten und seit 1990 stillgelegten Bahnhof des Saarlandes erzählen mir Volker Kassel, 72, ehemaliger Mitarbeiter des Tiefbauamtes Bexbach, und Dieter Durrang, 60, Leiter des Personalamtes der Stadt Bexbach, vor den drei geschlossenen Fahrkartenschaltern von der regionale Eisenbahngeschichte. Kassel und Durrang sind Eisenbahnfans und Gründungsmitglieder des Vereins Modelleisenbahnfreunde Bexbach e.V. „Warum ließ denn König Ludwig I. von Ludwigshafen nach Bexbach eine Bahn fahren?“, frage ich. Antwort: „Das hatte wirtschaftliche Gründe. Natürlich war da der Personenverkehr, aber es gab auch die Gruben Frankenholz und Bexbach. Die Kohle wurde vorher mit Pferdewagen transportiert. Doch dann kam die Eisenbahn, die bis Ludwigshafen fuhr. Von dort konnte man die Kohle verschiffen.“

Der alte Bexbacher Bahnhof ist ein repräsentatives Gebäude etwas abseits der Stadt auf einem Hügel. Wer heute mit dem Zug von hier nach Neunkirchen oder über Saarbrücken nach Paris oder Straßburg will, wartetet draußen auf dem Bahnsteig. Es gibt kein Restaurant und keine Wartehalle mehr. Der Bahnhof ist das Zuhause des Modellbauvereins, der 1987 gegründet wurde und inzwischen 44 Mitglieder hat. Volker Kassel erzählt: „Ein Förderverein kümmert sich um den Erhalt des historischen Gebäudes. Und es gibt sogar einen Chor des Vereins, der regelmäßig Konzerte veranstaltet und sich ,Chor Gleis 1‘ nennt, sowie eine Jugendgruppe, die unter Anleitung an der Modelleisenbahn baut. Die Geschichte des Bexbacher Bahnhofes wird in einer Ausstellung im Eisenbahnmuseum im zweiten Stock dokumentiert.“

Bevor wir hochgehen, zeigen mir die beiden in der Ecke der ehemaligen Wartehalle die Modelleisenbahnanlage für die Jugendgruppe, in der zur Zeit fünf Jugendliche lernen, wie man eine Modellbahn richtig aufbaut. Es ist eine Modellbahn vom Typ Roco HO und mit einer Spurbreite von 16 Millimetern, erklären sie mir. Eine nicht ganz billige Anlage. Im Internet lese ich später, dass Waggons und Loks der Roco HO „gebraucht ganz günstig“ zu kaufen sind, wenn man 160 Euro dafür bezahlen will: beispielweise für eine Roco 78499 HO E-Lok BR 101 Polizei AC (so die genaue Bezeichnung). Allein die Typenbezeichnung setzt schon jede Menge Modelleisenbahn-Sachverstand voraus. Volker Kassel und Dieter Durrrang stellen sich hinter die grünen Hügel und Täler aus Pappmaché der Anlage und zeigen, wie die Züge fahren könnten, wenn man alles aufbauen würde. Der Tisch ist drei Quadratmeter groß und bietet Platz genug, um beim Spielen und Bauen die Zeit zu vergessen.

Zum Abschluss gehen wir in das Museum, das eigentlich mehr eine Ausstellung ist, in der die Geschichte des Bexbacher Bahnhofs dokumentiert wird: so mit zwei Fahrplänen samt den An- und Abfahrtzeiten der Pfälzischen Eisenbahn aus dem Jahr 1866 für die Strecke von Hassel nach St. Ingbert. Außerdem sind zwei weitere Modellbahn-Anlagen ausgestellt: eine sogenannte N-Anlage mit neun Millimetern Spurbreite, die den Bahnhof Bexbach aus dem Jahr 1952 zum Vorbild hat, und eine im Bau befindliche HO-Anlage ohne konkretes Ortsvorbild, die für Wechsel- und Gleichstrombetrieb konzipiert ist.

Fazit: Im Museum im Bahnhof Bexbach kam man als Besucher sehr gut nachvollziehen, wie sich „Experten“ bemühen, die Realitäten der Eisenbahn von einst im Miniaturformat – genau im Maßstab 1:160 – nachzubauen und was sie so alles tun müssen, damit am Ende beim fertigen Modell alles möglichst perfekt aussieht.

„Ein Förderverein kümmert sich um den Erhalt.“
Eisenbahnfan Volker Kassel

Auf einen Blick
Kontakt: Bahnhof Bexbach, Modellbahnfreunde Bexbach e.V., Rathausstraße 50, 66450 Bexbach, Tel.: (0 68 26) 42 18, E-Mail: webmaster@mbf-bexbach.de. Öffnungszeiten: Sonntags von 10 bis 16 Uhr. Eintrittspreise: Erwachsene ein Euro, schulpflichtige Kinder 0,50 Euro; für Inhaber des Tickets Saar-Moselle ist der Eintritt frei. gräb
www.modellbahnfreunde.eu
Bildunterschrift
Bei diesem Schulausflug im Jahr 1966 herrschte reger Betrieb am Bahnhof Bexbach. Foto/Repros (2): D. Gräbner So stellte sich Eisenbahnoberinspektor und Hobbymaler Franz Josef Theisen die Eröffnung des Bexbacher Bahnhofes im Jahr 1849 vor. Volker Kassel (links) und Dieter Durrang zeigen ihre Schätze.