29.11.2012      
Die Rheinpfalz   

Aufforderung zum Tanz

Der Trierer Verkehrs-Experte Heiner Monheim will dem Zweibrücker S-Bahn-Projekt den nötigen Rückenwind geben.

Von Michael Böhm

Es hat sich was verändert in der Debatte um den Lückenschluss der S-Bahn zwischen Zweibrücken und Homburg. Bislang war es vornehmlich eine Experten-Debatte, geführt von den engagierten Bahnfreunden und Politikern der Region sowie den beiden beteiligten Landesregierungen. Da ging es schnell mal ins Fach-Chinesisch; es war von Kosten-Nutzen-Analysen, Strukturpolitik und „standardisierten Bewertungen“ künftiger Passagierzahlen die Rede. Dem normalen Bürger schwirrte dabei schnell der Kopf.Seit Dienstagabend läuft die Diskussion etwas anders. Bei der Veranstaltung im Herzogssaal (wir berichteten gestern) meldeten sich nämlich auch Nicht-Experten zu Wort. Ganz normale Menschen, die hier ihrem Beruf nachgehen oder in ihrer Freizeit verreisen wollen. Und dabei nicht allein aufs Auto setzen, aus welchen Gründen auch immer. Mit ihren Erfahrungen aus dem Alltag stellen sie fest, dass Zweibrücken einen handfesten Nachteil in Sachen Lebensqualität hat: Die Stadt ist nämlich aus der Luft besser zu erreichen als mit der Bahn.

Schon der gesunde Menschenverstand sagt, dass dies nicht so bleiben kann: Um aus der Herzogstadt nach Kaiserslautern und ins bundesweite Zugnetz zu kommen, braucht man heute rund zwei Stunden. Mit der S-Bahn über Homburg wären es genau 38 Minuten – ohne große Kosten, denn die Gleise liegen noch, mit Ausnahme eines kurzen Stücks. Selbst die Züge der S-Bahn Rhein-Neckar gibt es schon. Sie warten heute eine knappe Stunde im Homburger Bahnhof, bevor sie wieder in Richtung Metropolregion starten.

„Grotesk“ nennt der Trierer Verkehrsexperte Heiner Monheim die Tatsache, dass sich Rheinland-Pfalz und das Saarland bis heute nicht über diese Mini-Baustelle und ihre möglichen Folgekosten einigen konnten. Und immer wieder neue Gutachten erstellen lassen, wo jedes Kind den Nutzen einer solchen Bahnstrecke erfassen könne. Nur, damit die Politiker nicht die Verantwortung für eine Sache übernehmen müssen, die ihren eigenen Wählern nur mittelbar nutzt. Stattdessen nehmen sie laut Monheim lieber in Kauf, dass die Bürger beider Länder die Nachteile tragen – als Verkehrsteilnehmer und als Auto fahrende Klimasünder. Es gibt ja keine vernünftige Alternative.

Doch die Veranstaltung am Dienstag machte deutlich: Es gibt eine Alternative, wenn die Bürger ihre Stimme erheben und der Politik deutlich sagen, dass sie die lauwarme Aussitzerei satt haben. Dabei ist es egal, warum die Menschen motzen: Der Unternehmer, weil er seine Güter und sein Personal preiswerter transportieren will. Der Schüler, der nicht mehr morgens und mittags mit dem Bus im Stau stehen möchte. Die Rechtsanwältin, die bei der Fahrt zum Gericht lieber Akten studiert als das Lenkrad hält. Oder die Tourismus-Manager aus dem Bliesgau, die ihr Biosphären-Reservat ökologisch erreicht sehen möchten.

Am besten wäre es, wenn die Weckrufe aus dem Saarland und der Pfalz kämen. Schließlich profitieren beide Länder von der Bahn, denn beide liegen am Rand der Republik. Und schon immer war die Saarpfalz eine eng verflochtene Region, die Landesgrenze dagegen ein künstlicher Strich in der Landschaft. Mit der Bahn kann wieder zusammenwachsen, was zusammengehört. Menschen müssen hier ein Projekt lautstark einfordern, für dessen Umsetzung sie ihre Politiker mit Steuermitteln bezahlen. Niemand weiß das besser als der Trierer Verkehrs-Professor Heiner Monheim, der schon Dutzende solcher Nahverkehrs-Initiativen beraten hat. Die meisten erfolgreich: Von Friesland bis zum Münchner Speckgürtel fahren heute Bahnen, die es ohne das Engagement der Bürger nicht geben würde. „Aber bisher habe ich noch kein Projekt gesehen, das so viele Unterstützer aus dem bürgerlichen Lager hatte wie hier in Zweibrücken“, sagte Monheim. Wenn das keine Aufforderung zum Schienen-Tanz ist …