12.12.2011   Mannheimer Morgen
Artikel als PDF

Prävention: Bundespolizei informiert in Fernzügen Fahrgäste über die Gefahr von Taschenklau / Täter nutzen Gedränge aus

Diebe greifen gerne im Zug zu

Von unserem Redaktionsmitglied Michaela Roßner

Rhein-Neckar. Der Reißverschluss der Handtasche auf dem Sitz neben ihr ist geöffnet, die Ränder eines Smartphones blitzen heraus. Die Mittvierzigerin, der die Sachen gehören, hat den Kopf geneigt, die Augen zu einem Nickerchen geschlossen. "Ideale Bedingungen für einen Taschendieb", weiß Simone Blechschmidt. Die Beamtin der Bundespolizei wird die Reisende freundlich auf ihren Leichtsinn ansprechen. Weil gerade in der Vorweihnachts- und Reisezeit Taschendiebe auch an Bahnhöfen und in Zügen Hochsaison haben, sind die Beamten in diesen Tagen verstärkt in den Zügen unterwegs, verteilen Infobroschüren und klären über die Tricks der Kriminellen auf.

Rund 400 Taschendiebstähle nahmen die Beamten der Bundespolizei von Januar bis Juli im Bereich der Inspektion Karlsruhe zu Protokoll - zu ihrem Arbeitsbereich gehören auch Mannheim und Heidelberg, erklärt Pressesprecher Bernd Herlan. "Die Täter sind in der Regel in Gruppen unterwegs", fügt er hinzu. Gerne mischten sie sich ins Gedränge beim Ein- und Aussteigen. "Ein Täter geht vor, dreht sich plötzlich um und tut so, als hätte er den falschen Zug erwischt. Sein Komplize steht hinter dem meist schon lange vorher ausgeguckten Opfer und nutzt die Verwirrung, um zur Brieftasche zugreifen. Blitzschnell steckt er sie einer dritten Person zu" - und schon ist der Geldbeutel weit weg.

ICE 501, von Frankfurt nach Freiburg. Karsten Hadwich hat sein Laptop vor sich auf dem Tisch aufgeklappt, tippt konzentriert in die Tastatur. Auch seine lederne Arbeitstasche steht geöffnet auf dem Nachbarsitz Richtung Gang, in greifbarer Nähe eines vorbeischlendernden Diebes. "Der Geldbeutel wäre im Zweifel weg", spricht Blechschmidt den Geschäftsreisenden an.

Und dann erzählt die Beamtin dem Fahrgast freundlich, welche Tricks die Diebe noch so drauf haben - und dass sie so geschickte und geübte Hände haben, dass man den Verlust der Börse meist erst merkt, wenn der Täter schon längst über alle Berge ist.

Hadwich nimmt rasch das Portemonnaie aus dem offenen Lederfach, schließt die Aktentasche und verstaut das Portemonnaie in der Gesäßtasche seiner Hose. Weil er da nun drauf sitzt, ist das erst einmal sicher - aber im Gedränge eines Weihnachtsmarktes könnten geschickte Diebe die Tasche zum Beispiel mit einer Rasierklinge aufschneiden und auf diese Weise an Geld und Papiere kommen. Wertsachen unter Kleidung versteckt am Körper zu tragen, sei die sicherste Variante.

Frauen häufiger Opfer als Männer

"Frauenmäntel haben ja gar keine Innentasche", entgegnet eine Frau an einem Vierertisch in Wagen zwei auf die Infos, die Blechschmidt für das Damenquartett bereithält. "Ups, das gibt es ja doch", schiebt die Frau spontan überrascht hinterher, nachdem ihre Finger die Innenseite des eigenen Bekleidungsstücks erforscht haben. "Frauen sind viel häufiger Opfer von Taschendieben als Männer", sagt Herlan. Das liege vor allem daran, dass sie Handtaschen dabei hätten. Frauen neigten aber auch dazu, Geld und Wertsachen zusammen in einer - großformatigen - Börse zu verstauen, die reiche Beute verspricht. "Wie tragen sie denn ihr Geld bei sich?", frägt ein Fahrgast vorwitzig die Beamtin. Die zieht unter staunendem Gelächter aus ihrer Hosenbeintasche ein Mäppchen, das kaum größer als das Drittel eines Mobiltelefons ist, hervor und hält es triumphierend im Zugabteil hoch. "Da kann ja nicht viel drin sein", schiebt der Fragende frech hinterher. "Ich nehme nur die 500er-Scheine mit", kontert die Bundespolizistin. Ihr Kollege Patrick Thiepold schlendert derweil durch die Sitzreihen, hält nach achtlos alleingelassenen Jacken und Gepäckstücken Ausschau. Da legen die Beamten dann eine Infobroschüre daneben, in der Hoffnung, dass der Eigentümer der Sachen sich ein paar Minuten Zeit für die Tipps nimmt.

"Ich hätte nicht gedacht, dass im Zug so viel gestohlen wird", zeigt sich Christiane Michel, die von Lörrach nach Mannheim unterwegs ist. angetan. "Ich finde die Aktion sehr gut", ergänzt ein Mitfahrer, der im Jahr 50 000 Kilometer mit der Bahn zurücklegt - bisher ohne Verlust von Wertsachen. "Jeder denkt ja, ihm passiert so etwas nicht", ergänzt eine ältere Dame - "aber ich werde jetzt noch besser aufpassen".

Die Bundespolizei ist rund um die Uhr unter Telefon 0800/6 88 80 00 erreichbar.