02.11.2011   Die Rheinpfalz Pirmasenser Rundschau

Als Adenauer in Hinterweidenthal Station machte

GESCHICHTEn aus der geschichte: Für 24 Stunden richtet sich der Kanzler 1957 im Sonderzug auf der Kaltenbach ein - Wahlreden in Pirmasens und Kaiserslautern

Von Willi Schächter

Hinterweidenthal. Wir schreiben Freitag, 2. August 1957. Ein Sommertag wie jeder anderer. Um 13.10 Uhr fährt ein besonderer Zug in den Hinterweidenthaler Bahnhof Kaltenbach ein und richtet sich für mehr als 24 Stunden auf dem Nebengleis ein. Schon Stunden zuvor hatten sich Einheimische und Fahrgäste über das geheímnisvolle Tun zahlreicher Sicherheitskräfte ihre Gedanken gemacht. Man weiß zwar, dass sich mit Bundeskanzler Adenauer ganz hoher Wahlkampfbesuch in Kaiserslautern und Pirmasens angesagt hatte, dass der Kanzler mit dem mobilen Staatsapparat jedoch gerade auf diesem kleinen Bahnhof für mehr als einen Tag Station machte, das wissen eigentlich nur Eingeweihte. Wie zum Beispiel Staatssekretär Globke, der als erster in den Speisewagen des Salons in Hinterweidenthal zusteigt, um am Essen teilzunehmen. Dies ist jedenfalls dem minutiösen Programm des Tageskalendariums von Konrad Adenauer zu ersehen, das die RHEINPFALZ für diesen Tag recherchierte. Weiter geht aus dem Terminplan hervor, dass um 18.40 Uhr Minister-präsident Altmaier und Regierungspräsident Pfeiffer dem Sonderzug zusteigen, um 19.10 mit dem Auto von Hinterweidenthal nach Kaiserslautern fahren, wo der Kanzler eine seiner gefürchteten Wahlreden halten sollte. Um 00.10 Uhr ist Adenauer wieder in Hinterweidenthal zurück, um noch „die Geburt seines 17. Enkels zu feiern”.

Der Samstag, 3. August, bringt den legendären Forstmeister Müller ins Spiel, der den Kanzler und den Kanzlervertrauten von Eckard zu einer Morgenwanderung in die heimischen Wälder führt. Der nächste Termin ist zugleich auch Ausgangspunkt unserer kleinen historischen Untersuchung über den Kanzlertag in Hinterweidenthal. „Aus der Nähe von Hinterweidenthal” empfängt er noch vor dem Bischof von Speyer einen Pater und dessen leibliche Schwester, die als Missionsschwester (Schwester Ethelburga) nach Afrika gehen wird. Hierzu gibt es auch das historische Foto, das den Kanzler mit Pater Erwin Keller und seiner Schwester Maria (Ethelburga) vor dem Salonzug in Hinterweidenthal zeigt. Wie die Nichte der beiden, Maria Seither aus Hauenstein, auf Anfrage mitteilte, hatte die kinderreiche Familie Keller insgesamt drei geistliche Berufe in der Familie. Neben Erwin (Pater Vinzenz) und Maria (Ethelburga) gab es noch Luzia (Schwester Fabiana), die lange Jahrzehnte in Sankt Trudbert im Schwarzwald lebte, während Ethelburga fast fünf Jahrzehnte in Afrika wirkte. Dem alten Mann aus Rhöndorf war es offensichtlich sehr leicht gefallen, die Missionsschwester mit allen guten Wünschen zu verabschieden. Pater Erwin Keller (Pater Vinzenz) ist vor Jahrzehnten in jungen Jahren bei Osnabrück verunglückt. Dieses Foto ist jedoch eine Erinnerung an diesen Tag aus dem Jahre 1957 geworden, wo das politische Herz der jungen Republik mit allen wichtigen Schaltstellen auf dem Hinterweidenthaler Bahnhof Kaltenbach schlug. Bei allen anderen wichtigen Vermerken im Terminkalender dieses Tages finden die beiden Hauensteiner Ordensleute für den Fototermin ihren Niederschlag, was man heute noch nachlesen kann. Übrigens: Gegen 16.05 Uhr geht es mit dem Auto nach Pirmasens, anschließend Wahlkundgebung in der Schuhstadt und anstatt der obligatorischen schwarzen Schuhe gibt es als Gastgeschenk diesmal für Adenauer ein Paar bunte Babyschuhe für den 17. Enkel. Gegen 18.38 Uhr holt der Sonderzug den Kanzler in Pirmasens ab, um zur nächsten Wahlkampfstation nach Mehlem zu fahren. Wenn schon der Kanzler einen ganzen Tag hier weilte, was waren die Hauptthemen seiner Wahlrede in Pirmasens sechs Wochen vor der Wahl am 15. September 1957? - Es war die „Keine Experimente”-Wahl, die dem Alten aus Rhöndorf den bis dahin größten Wahlsieg bescherte. Zum bisher ersten und einzigen Mal gelang es einer Partei, die absolute Mehrheit der Stimmen und Mandate zu erreichen. Die Rückkehr des Saarlandes machte ihn bei seinen Wählern zum Star, bei seinen Gegnern von der SPD wurde der Slogan „Kampf dem Atomtod” zum schlagenden Motto gegen die „klerikal-faschistische Gefahr”.

Für Hinterweidenthal war jedoch der „Kanzlertag” auf der Kaltenbach zu einem sicherlich historischen Ereignis, das jetzt schon mehr als ein halbes Jahrhundert zurück liegt. Es wird übrigens immer wieder spekuliert, dass die Sicherheitskräfte damals das ruhige Bahnhofsgelände auf der Kaltenbach extra ausgesucht hätten, anstatt in Pirmasens oder Kaiserslautern Halt zu machen.