25.11.2011   Die Rheinpfalz - Ludwigshafener Rundschau

LEITARTIKEL

Oettinger auf Stoibers Spuren

Sonderposten: Der Streit um „Stuttgart 21” bringt überraschende Erkenntnisse. Laut EU-Kommissar Oettinger ist der Ostbahnhof in Paris ein Kopfbahnhof, weil es westlich von Paris keine Menschen mehr gibt, sondern nur Kühe und Atlantik.

Von Eckhard Buddruss

In der Geschichte des Münchner Transrapid-Projekts spielt der frühere bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber eine Schlüsselrolle. Er verkündete im September 2007 den definitiven Durchbruch für das Projekt, das dann allerdings von seinem Nachfolger Günther Beckstein sechs Monate später wegen ausufernder Kosten aufgegeben wurde. Noch besser in Erinnerung ist ein Auftritt Stoibers auf dem Neujahrsempfang der Münchner CSU im Januar 2002, bei dem er - allerdings mit begrenztem Erfolg - versuchte, den Sinn des Transrapid zum Münchner Flughafen zu erklären. Dieser Auftritt gilt heute als „Jahrhundert-Rede” mit kaum zu überbietendem Kultwert.

Doch jetzt zeigt sein zeitweiliger baden-württembergischer Kollege Günter Oettinger, dass er es mit Stoiber aufnehmen kann. Schon sein - dezent formuliert - einzigartiges Englisch hat EU-Energiekommissar Oettinger zu einem Star auf Youtube gemacht. Nun kommt ein Auftritt in der Diskussion über das Projekt „Stuttgart 21” hinzu, das in puncto Kostenexplosion gewisse Gemeinsamkeiten mit dem Münchner Transrapid aufweist. In einer von der „Badischen Zeitung” in Freiburg organisierten Diskussionsveranstaltung mit Oettinger und dem Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer hatte es Oettinger nicht leicht. Er hat „Stuttgart 21” als Ministerpräsident durchgedrückt, aber der smarte Palmer kennt sich mit dem Thema deutlich besser aus. Da kam Oettinger auf die Idee, aufzuzählen, welche Städte einen Durchgangsbahnhof haben, den die baden-württembergische Landeshauptstadt durch „Stuttgart 21” ja erst noch bekommen soll. Als Ausnahme erkannte Oettinger den Ostbahnhof der französischen Hauptstadt an. Den Grund dafür, dass dieser ein Kopfbahnhof ist, hat noch niemand so auf den Punkt gebracht. O-Ton Oettinger: „Weil es westlich von Paris keine Menschen mehr gibt, sondern nur Kühe und Atlantik.”

Diese Erklärung ist originell, aber ergänzungsbedürftig. Kopfbahnhöfe sind in Paris nämlich auch noch Gare de Lyon, Gare Montparnasse, Gare Saint Lazare, Gare d'Austerlitz und Gare du Nord. Erklären lässt sich dies nach Oettingers Logik wohl dadurch, dass es nördlich, östlich und südlich von Paris keine Menschen mehr gibt, sondern nur Kühe sowie Ärmelkanal, Rhein und Mittelmeer. (Fotos: dapd/afp) nils fragt

Nils fragt

Was ist denn ein Kopfbahnhof?

Seid ihr schon mal mit dem Zug nach Frankfurt gefahren? Dort ist der Hauptbahnhof ein Kopfbahnhof. Das bedeutet, dass kein Zug durchfahren kann, sondern der Zug umkehren muss, um aus dem Bahnhof wieder herauszufahren.

Früher gab es viel mehr Kopfbahnhöfe. Einer davon stand in Ludwigshafen. Seit 1969 hat Ludwighafen aber einen Bahnhof, in dem die Züge durchfahren können. Einen ganz kleinen Kopfbahnhof gibt es in der Pfalz immer noch in Bad Dürkheim. Kopfbahnhöfe sind ein Hindernis für den Bahnverkehr. Früher mussten die Züge öfter ihre Lokomotiven wechseln, weil Dampfloks keine allzu langen Strecken fahren konnten. Da war es ziemlich egal, ob der Zug auch noch seine Fahrtrichtung wechseln musste. Seit elektrische Lokomotiven aber problemlos viele Hundert Kilometer am Stück fahren können, braucht man keine Lokwechsel mehr und Kopfbahnhöfe wie die früheren in Ludwigshafen oder Heidelberg sind lästiger als früher.

Nun soll auch der Kopfbahnhof in Stuttgart durch einen Durchgangsbahnhof ersetzt werden. Doch dagegen gibt es in Stuttgart viel Widerstand. Der Umbau wäre dort sehr teuer, weil der Durchgangsbahnhof unterirdisch liegen soll und man dann lange Tunnels unter der Stadt bauen müsste. Inzwischen sind die Kopfbahnhöfe auch kein so großes Hindernis mehr. Ein ICE braucht keine Lokomotive und kann deshalb ziemlich schnell seine Fahrtrichtung ändern. Das dauert nicht viel länger als der Zug sowieso halten muss, wenn viele Leute ein- und aussteigen. Außerdem haben Kopfbahnhöfe auch Vorteile. Für die Reisenden ist es sehr angenehm, dass man alle Bahnsteige erreichen kann, ohne dass man durch Unterführungen laufen muss. In ganz großen Städten wie Paris oder London bleiben die Kopfbahnhöfe deshalb sicher erhalten. Und auch in Frankfurt und München sind Pläne für einen Umbau, wie er in Stuttgart vorgesehen ist, inzwischen aufgegeben worden. (ebu)